Stimmen zur Lage der Musikszene: Folge 6 Studium Musikpädagogik

In einer Folge von Gesprächen ergründet der Landesmusikrat, wie es nach einem Jahr Pandemie um die Musikszene steht. Thomas Großmann bildet an der Europa-Universität Flensburg Musikpädagogen aus. Am 3. März 2021 sprach er mit uns.

Der nachfolgende Bericht entstand im Auftrag des Landesmusikrates Schleswig-Holstein. Veröffentlicht wurde er am 19. April 2021 auf der Webseite des Dachverbandes.

Die Abteilung Musik vom Institut für Ästhetisch-kulturelle Bildung bildet Musiklehrkräfte aus. Ihr Master of Education befähigt zum Unterricht an Grund- und Gemeinschaftsschulen sowie zur Sonderpädagogik. Thomas Großmann lehrt seit 22 Jahren in Flensburg. Er legt die Grundlagen für Musiktheorie sowie allgemeine Musiklehre. Studierende lernen von ihm ebenso das Spiel auf dem E- und Kontrabass wie das Musizieren mit Schulklassen und den Umgang mit digitaler Audiotechnik. Zudem leitet er die Uni-Bigband.

Normalerweise werden die Stundenpläne für den Teilstudiengang Musik mit einen halben Jahr Vorlauf geplant. Das Wichtigste dabei sind die Pflichtkurse. Sie dürfen sich nicht überschneiden. Dafür müssen sich alle Beteiligten im Fach Musik abstimmen. Seit Ausbruch der Pandemie wird von Woche zu Woche geplant. Nicht selten doppelt und dreifach, damit möglichst viele Präsenzangebote im Rahmen des jeweils Erlaubten untergebracht werden können. „Ich ertappe mich beim Wunschdenken. Musik braucht Präsenz. Das gilt für alle Formate, vom Instrumentalunterricht über Seminare zu den Übungen, und ist für die Erstsemester ebenso wichtig wie für Prüfungskandidaten. Der Einzelunterricht, also 1:1, findet bei uns mit Maske und hinter Trennwänden statt. Da wir aber nur über wenige Räume verfügen und diese jeweils für eine Stunde zwischen den Unterrichtseinheiten lüften müssen, ist das Zeitfenster für Präsenzunterricht eng. Es reicht nicht für alle, sondern oft nur für den Hauptfachunterricht und Studierende, die vor ihrer Prüfung stehen. Viele müssen uns online über Webex oder Zoom vorspielen.“

Mit Einweghandschuhen und Schutzmaske

Ensemblearbeit bleibt eine besondere Herausforderung. Erlaubt sind nur Kleinstgruppen, also maximal ein Drittel der sonst üblichen Teilnehmerzahl. Dadurch steigt nicht nur der Zeitaufwand für die Dozenten. Auch das Repertoire an Stücken zum Einstudieren ist stark limitiert. Gesang und Blasmusik fallen ohnehin komplett raus. „Es braucht andere Wege, den Studierenden eine Idee vom gemeinsamen Musizieren zu vermitteln“, erläutert Thomas Großmann, „Auch die Pflicht zum Tragen von Schutzmaske und Einweghandschuhen sowie der vorgeschriebene Abstand von 2,5 Metern zwischen den Studierenden behindert die Arbeit“. Nach Unterrichtsende müssen alle Arbeitsplätze desinfiziert und die Räume gelüftet werden. „Wir können sie nicht sofort wieder belegen. Unser Raumangebot im Institut ist begrenzt. Dadurch sind wir gezwungen, Pausen einzulegen. Alles dauert länger und muss zudem als Ersatzformat online aufbereitet werden für die, die nicht zu uns ins Institut kommen dürfen. Prozesse haben keinen eindeutigen Start mehr und kein Ende. Es fühlt sich an wie im Hamsterrad“.

Frontalunterricht statt alternativer Unterrichtsformen

Schulen und Universitäten nutzen die Lernplattform Moodle. Thomas Großmann stellt damit Materialien und Aufgaben ein. Seine Webinare seien ein kleiner Ersatz, aber mehr nicht, erklärt er. Die Studierenden nähmen das Angebot jedoch dankbar an und seien stets vollzählig mit Ton und Bild dabei. Für sie hat er seine musikalischen Inhalte umgeformt, digitale Tafelbilder vorgefertigt und viele Stunden investiert, um in seinem Studio für das Format geeignete Hörbeispiele zu produzieren. Aber all das käme längst nicht an das heran, was eine Präsenzveranstaltung leistet: „Ich kann den Unterrichtsstoff nicht entwickeln. Es ist reiner Frontalunterricht und das für angehende Pädagogen, die von uns lernen wollen, wie gute Didaktik geht! Auch die gemeinsame Hörerfahrung fehlt und die Reflexion darüber. Für Gehörbildung reicht die Tonqualität bei Webex einfach nicht aus.“

Das Studium deshalb aufgegeben, hat seiner Ansicht nach noch niemand. „Aber ich habe schon gehört, dass einige vorhaben, noch mal richtig zu studieren, sobald die Hybrid-Semester vorbei sind“, verrät Thomas Großmann, „Also Angebote, die als Ersatzformate gelaufen sind, noch mal in Präsenz zu belegen. Wer auf BAFöG angewiesen ist und das Studium in der Regelstudienzeit abschließen muss, hat dieses Privileg jedoch nicht“.

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panama

das; Abk. f. Panorama (griech.). Unter diesem Namen postet Daniela Mett vermischte Nachrichten aus der bewohnten Welt des Nordens bis hoch nach Tromsö. Die ausgebildete Magazinjournalistin berichtet frei und unabhängig. Sie hat sich in 35 Berufsjahren spezialisiert auf Reportagen und Interviews.