Beim Streifzug durch den Katalog des Auktionshauses Schramm lassen sich Schätze entdecken, die es zu heben gilt. Geboten werden kann ab sofort auf wertvolle Bücher, Gemälde und Briefe. Ende Mai steigt die Auktion.
Der nachfolgende Vorbericht entstand im Auftrag des Kieler Antiquariats Schramm. Veröffentlicht wurde er im April 2021 im Rundbrief des online-Auktionsportals Lot-tissimo.
Von nun an bist du Lili. Diese scherzhaft hingeworfene Bemerkung löst bei „The Danish Girl“ eine ergreifende Metamorphose aus. Oscarpreisträger Eddie Redmayne verkörpert im Film den Maler Einar Wegener. Seine Wandlung vom Ehemann der Malerin Gerda Wegener zum Transgenderpionier Lili Elbe nahm das Kinopublikum mit. Die Story beruht auf einer wahren Geschichte. Sie zeigt sich in Gerdas Werken. Lili war ihr bevorzugtes Modell. Damit gelang ihr nach 1910 in Paris der Durchbruch als Künstlerin. Unter den mehr als 700 Losen seiner Frühjahrsauktion listet das Kieler Auktionshaus ein Aquarell der 1886 geborenen Nordschleswigerin. Der Schätzpreis ihrer „Drei Grazien“ liegt bei 1.200 Euro. Auch der Keitumer Maler und Aktfotograf Magnus Weidemann sah in seiner Partnerin ein lohnendes Modell. Nackt wie Gerdas Grazien lichtete er die Tänzerin Molli Moldenhauer am Strand von Sylt ab. Sechs solcher Aktfotos umfasst die Losnummer 726. Ein Zeitgenosse der beiden ist Georg Burmester. Er lebte mit seiner Frau Anne und zwei Kindern in Möltenort bei Kiel. Sein Stillleben schmückt das Titelblatt des Auktionskataloges. Allerhand Florales umrankt dort wild und bunt einen kalten weiblichen Torso samt steinerner Büste. Dieses Liebhaberstück könnte den Verkaufspreis der Grazien noch toppen, vermutet Auktionator Daniel Schramm.
Bei Jenny Lind war es ihr natürlicher Charme und das hohe technische Niveau ihres Soprans, das der Schwedin zu einem kometenhaften Aufstieg verhalf. 1850 ging die Opernsängerin auf Tournee in die USA. Dort lag ihr das Publikum zu Füssen. Jedermann schmückte sich mit der „schwedischen Nachtigall“. Das Flaggschiff der Marine wurde in USS Nightingale umbenannt. Es bekam eine Gallionsfigur, die sie darstellen sollte. Zwar sank der Klipper, wurde aber geborgen und man ersetzte die Figur durch eine baugleiche. Zur Kieler Auktion eingeliefert wurde eine Gallionsfigur, die ihr trotz kleiner Sprünge im Holz verblüffend ähnlich sieht. Anders als sie scheint der Silberfisch unter Losnummer 585 ein wahrer Glücksbringer zu sein. Gliederfische wie dieser wurden zum jüdischen Hawdala-Ritual mit wohlriechenden Gewürzen befüllt. Sein Kopf lässt sich dazu wie eine Dose öffnen.
Das Pendant zu femininer Grazie bilden Supermänner. Jan Koblasa schuf 1988 so einen aus Holz. Die Skulptur vom Gründer der Bildhauerklasse an der Muthesius Kunstschule wird mit der Losnummer 522 für knapp 2.000 Euro aufgerufen. Weitere Titanen finden sich im Katalog zwischen den rund 450 Büchern und Autographen. Das Kreutterbuch Pietro Andrea Mattiolis gehört dazu. Es wird in seiner vierten Ausgabe von 1611 mit altkolorierten Holzschnitten angeboten. Aber auch Los 358: Weil die Briten seinen Druck stoppten, erschien der Ulysses von James Joyce zuerst in Frankreich. Schramm versteigert den Erstdruck der Erstausgabe durch Shakespeare and Company, der Pariser Buchhandlung von Sylvia Beach. Ebenfalls unbezahlbar gut sind die teils sehr intimen Ansichten von Max Brodt. Rund fünfzig seiner privaten Briefe kommen zum Aufruf. In einem entlädt sich Frust über sein Schattendasein als Freund Franz Kafkas: „Im ganzen ziehe ich jetzt als ein ‚Schwanzerl‘ des ungeheuren Kafka-Ruhms durch die Welt – und das kann mich natürlich weder freuen noch mir gerecht erscheinen; ich muss mich sogar sehr hüten, in Menschenfeindschaft und Menschenverachtung zu verfallen.“ Auch bei den Wegeners kam es damals anders als gedacht. Hätte Einar nicht Lili in sich entdeckt, wäre Gerda nie zu Ruhm gekommen. Er galt in Kopenhagen als der bessere Maler.
Auktion 89 Am 29. Mai 2021 Besichtigung Nach vorheriger Absprache Tel. 0431/ 80 39 23 Adresse Auktionshaus Schramm Feldstrasse 88, 24105 Kiel info@antiquariat-schramm.de www.antiquariat-schramm.de
Beitragsfoto: Lili Elbe, 1926. Urheber unbekannt – https://wellcomeimages.org/indexplus/image/L0031864.html, CC-BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33680447
