In einer Folge von Gesprächen ergründet der Landesmusikrat, wie es nach einem Jahr Pandemie um die Musikszene im Land steht. 4.000 Menschen musizieren allein in Hamburg und Schleswig-Holstein in Posaunenchören der Nordkirche. Für sie sprach am 25. Februar 2021 Daniel Rau.
Der nachfolgende Bericht entstand im Auftrag des Landesmusikrates Schleswig-Holstein. Veröffentlicht wurde er am 16. April 2021 auf der Webseite des Dachverbandes.
Das Posaunenwerk der Nordkirche bildet das Dach für Bläserchöre in den Kirchengemeinden von Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein. Drei Landesposaunenwarte teilen sich diese Aufgabe. Daniel Rau ist Ansprechpartner für Ensembles in den Kirchenkreisen südlich des Nord-Ostsee-Kanals inklusive Hamburg. Will er sie zusammen bringen, jongliert er mit unterschiedlichen Landesverordnungen, regionalen Sonderfällen und Anordnungen der Landeskirche. Denn die darf laut Verfassung selbst bestimmen, wie sie ihre Mitglieder schützt.
Während der Pandemie habe sich sein Arbeitszimmer in ein Aufnahmestudio verwandelt, berichtet Daniel Rau. Mit E-Piano, einem Mischpult und professionellem Aufnahmegerät erstellt er nunmehr Übevideos für mehr als 200 Posaunenchöre in Hamburg und Schleswig-Holstein. Denn abgesehen von dem kleinen Zeitfenster zwischen Anfang September und Anfang November, fanden 2020 keine Chortreffen statt. Selbst während dieser gelockerten Phase galten strenge Auflagen. Ohne vorab schriftlich eingereichtes Hygiene- und Probenkonzept, einem Sitzplan und Beschluss des Kirchengemeinderates ging im Herbst nichts. Weshalb die Landesposaunenwarte es plötzlich mit einer Flut von Beratungsgesprächen zu tun bekamen. Zum Jahresende fallen für Posaunenchöre traditionell besonders viele Dienste an, darunter Erntedank, Laternenumzüge, Martins- und Volkstrauertag, dazu zahllose Auftritte in der Advents- und Weihnachtszeit. Wenn möglich, wurde für diese Einsätze geprobt. Obwohl letztlich fast nichts davon stattfand.
Rückhalt in der Gemeinschaft
Sogar kleinste Freiluftformate wie das Ständchen zur Beerdigung blieben untersagt. „Am Grab einer langjährigen Bläserin oder eines langjährigen Bläsers kamen sonst schnell mal bis zu sechzig Chormitglieder zusammen,“ erinnert sich Daniel Rau, „Corona unterbindet genau das, was für uns so wertvoll ist – die Gemeinschaft. Man sitzt nach Proben und Einsätzen hinterher oft lange zusammen, tauscht Privates aus. Unsere Musikerinnen und Musiker sind keine Solisten. Wir proben für den Chorklang. Jede Stimme wird mindestens dreifach besetzt. Wenn es demnächst heißt, ihr dürft zwar wieder auftreten, ABER….,“ betont er und ergänzt: „Bloß zu viert. Nur im Freien. Und ohne gemeinsame Probe oder Gesangschor im Rücken. Dann müssen wir passen. Derartige Anforderungen können die meisten Laienmusikerinnen und -musiker nicht erfüllen.“
Anfang Februar luden er und seine Kollegen erstmals zur digitalen Posaunenchorprobe per Videokonferenz. „Meine Begeisterung wuchs mit jeder Kachel, die sich auf dem Bildschirm bei Anmeldung eines weiteren Mitgliedes öffnete. Zum Schluss waren rund 300 online.“ Seither halten sie regelmäßig jeden Donnerstag Proben ab. Die erste Stunde ist für Jungbläser. Das sind etwa 70. Darauf folgen zwei einstündige Posaunenchorproben mit jeweils 150 bis 200 Teilnehmern. Einer von den Posaunenwarten betreut nebenher den Chat, während der andere dirigiert. Darin geht es rund: „Sonst ist unser Jahr angefüllt mit Begegnungen, sei es bei Dirigierseminaren, Freizeiten in unserem Posaunenhaus auf dem Koppelsberg, bei Chorleiter- oder Bläserlehrgängen, dem Landesposaunentag oder Treffen auf Bundesebene mit rund 25.000 Teilnehmern. Weil uns diese Begegnungen fehlen, wird der Chat fleißig genutzt.“
Empfindliche Lücke beim Nachwuchs
Bei den jüngeren Schulkindern stellt Daniel Rau bereits eine Sättigung mit digitalen Angeboten fest. Um sie macht er sich Sorgen, aber auch um Mitglieder, die mangels technischer Möglichkeiten von vorn herein ausgeschlossen werden. Den härtesten Einschnitt befürchtet er jedoch für seine Arbeit mit besonderen Musiktalenten: „Ein Mal pro Halbjahr wechselt die Besetzung in unserem Auswahlensemble. Dessen Qualität wurde kontinuierlich aufgebaut. In einem relativ kurzen Zeitfenster zwischen dem 15. und 21. Lebensjahr blühen die Jugendlichen dort förmlich auf. Sie beenden die Schule, werden selbständig und bereit, Verantwortung zu übernehmen. Aus dieser Gruppe erwachsen künftige Chorleiter, die als ehrenamtliche Ausbilder ihr Wissen an bis zu acht Anfänger weitergeben könnten.“ Vor Ausbruch der Pandemie war Daniel Rau stets auch in seiner Funktion als Talentscout für den Landesjugendposaunenchor unterwegs. Das entfiel: „Mittlerweile ist schon eine empfindliche Lücke entstanden, zumal, weil uns auch aktuelle Mitglieder verloren gehen“.