Dringend: Nachfolgerin gesucht! Frauen in der Politik

Der nachfolgende Bericht entstand im Auftrag des Magazins woman in the city. Veröffentlicht wurde er in der Ausgabe Sommer 2021.

Frauen und Politik. Etwas steht dazwischen. Nach über hundert Jahren Frauenwahlrecht ist von paritätischer Besetzung politischer Ämter keine Spur.

Das gilt für Parlamente im Bund wie im Land. Aber vor allem in unseren Kommunen. Ein Indiz dafür ist die Besetzung der Spitzenämter. Zum Amt Probstei gehören zwanzig Gemeinden. Nur vier davon haben eine Bürgermeisterin. Was hindert Frauen, politisch aktiv zu werden? Wir fragten nach bei Gründerinnen des Kommunalpolitischen Frauennetzes im Kreis Plön.

Rita Süssmuth gebrauchte die Metapher vom Maulwurf, erinnert sich Kathrin Heintz: Nicht aufgeben, unbeirrt weiter graben – gegen Ausgrenzung, Geringschätzung und Diskriminierung, unermüdlich für die Durchsetzung notwendiger Veränderungen eintreten. Das Treffen mit der ehemaligen Bundesministerin im Kabinett Kohl und späteren Bundestagspräsidentin hätte ihr damals viel Mut gemacht. Heintz gab nicht auf. Seit 1998 ist sie ununterbrochen politisch aktiv.

Im Frauenkreis debattieren

Aktuell sitzt sie in der Gemeindevertretung Schönbergs. Dort gehört Kathrin Heintz dem Sozialausschuss an, dem Haupt- und Finanzausschuss sowie als Stellvertreterin dem Wirtschaftsausschuss. Zuletzt debattierte Schönberg über die Zukunft des Hotels „Stadt Kiel“. „Zur Beratung war die Öffentlichkeit zugelassen“, berichtet sie, „Im Saal versammelten sich vierzig Menschen. Es ging um nichts weniger als den Erhalt urbanen Lebens in unserem Ortskern. Doch in der Menge entdeckte ich bloß drei Frauen. Scheinbar fehlt der Mut, sich für die eigenen Interessen öffentlich stark zu machen. Durch die Vereinsarbeit weiß ich, dass viele sich nicht dem Risiko verbaler Attacken aussetzen mögen. Deshalb bot der Verein an, solche Auftritte unter einander einzuüben.“

„Junge Eltern sind immer öfter voll berufstätig. Damit neben Haushalt und Kindern noch Kraft da ist für politisches Engagement in der Kommune, braucht es flexible Arbeitszeitmodelle  auch für Väter.“

Kathrin Heintz │ Vorsitzende KopF e.V. Schönberg – Kommunalpolitisches Frauennetzwerk Kreis Plön

2001 gründete eine Gruppe politisch aktiver Frauen den Verein KopF – das Kommunalpolitische Frauennetz im Kreis Plön. Es setzt sich ein für Nachwuchsförderung und Weiterbildung. Seit zwanzig Jahren tauschen dort Frauen informell über Gemeinde- und Amtsgrenzen hinweg Erfahrungen. Kathrin Heintz ist Vorsitzende, ihre Freundin Silke Lorenzen Ehrenmitglied: „Frauen müssen erst alles können, bevor sie was machen“, erläutert diese, „Viele schrecken aber auch vor Verantwortung zurück. All das kennen Männer nicht. Eine Frauenquote allein wird daran nichts ändern. Ich sage immer: Kommt einfach vorbei, wenn wir Sitzung haben. Sie finden vier Mal im Jahr statt und sind stets öffentlich. Es ist die Freude an der Begegnung mit Menschen, mit der wir euch anstecken werden. Gemeinsam gestalten wir die Zukunft. Dafür braucht es die Verwaltung im Dorf. Sonst entscheiden andere über uns.“

Lebenskonzepte mit Fokus auf Erwerbsarbeit

Als Bürgermeisterin von Fiefbergen ist Silke Lorenzen seit 2013 im Amt. Das hat Familientradition. Sowohl ihr Großvater als auch ihr Vater waren politisch aktiv. Bereits als Jugendliche habe sie Briefe und Drucksachen im Dorf verteilt und wurde früh Beisitzerin in der Gemeindevertretung. Zu den schönsten Momenten ihres Spitzenamtes zählt sie den festlichen Empfang im Kieler Schloss mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Doch nicht einmal das scheint andere zu reizen, von ihr 2023 das Amt zu übernehmen. „Ein offizieller Aufruf reicht längst nicht mehr“, schildert sie ihr Bemühen: „Ich muss gezielt Leute ansprechen, um Nachfolger für unsere Gemeindevertretung zu werben. Es mag daran liegen, dass kaum noch einer vor Ort arbeitet. Mein Mann ist der letzte aktive Landwirt. Fast alle pendeln zu ihrer Arbeitsstätte. Dadurch spielt sich das Leben anderswo ab. Tagsüber begegnet einem im Dorf niemand mehr. Nicht mal Kinder sieht man. Die sitzen ganztags in der Schule oder KiTa.“

„Nachfolgerinnen zu finden, wird immer schwerer. Sollte unser Dorf mal keine eigene Verwaltung mehr aufstellen können, kommt die Großgemeinde. Dann entscheiden andere über uns.“

Silke Lorenzen │ Bürgermeisterin Fiefbergen, Ehren- und Gründungsmitglied KopF e.V.

Um das Ehrenamt attraktiver zu machen, gibt es eine Aufwandsentschädigung sowie Sitzungsgeld. Sogar für den Babysitter werde heutzutage gesorgt, merkt Silke Lorenzen an: „Das hatten wir damals noch nicht.“ Ihre Kinder sind nun erwachsen, auch die von Kathrin Heintz. „Wir haben beide Glück mit unseren Männern“, räumt diese ein, „Sie schätzen, was wir machen. Gleichberechtigung in Beziehungen ist eine wichtige Voraussetzung. Leider zeigt sich in der Pandemie, dass es damit noch nicht so weit her ist, wie wir angenommen haben.“ Den Vereinsvorsitz bei KopF würde sie gern an jüngere Frauen abgeben. Doch es finden sich keine Nachfolgerinnen. Daher überlegt der Vorstand, die Kommunalpolitische Netzwerkarbeit noch im Verlauf seines Jubiläumsjahres an eine übergeordnete Institution wie den Landesfrauenrat abzugeben. „Es braucht eine Kraft mit Arm in die politischen Ebenen des Landes, die uns bei der Nachwuchswerbung unterstützt. An der Basis fehlen einerseits die Mittel, aber auch Zeit, Personal und die Räume, um Nachfolgerinnen zu schulen“, bekräftigt Kathrin Heintz.

„Die Unterrepräsentanz von Frauen in diesen Funktionen gilt es zu verändern und auch das Selbstverständnis zu fördern, damit mehr Frauen in diesen Ämtern sichtbar werden.“

Birte Kruse-Gobrecht │ Bürgermeisterin Bargteheide, Sprecherin des Netzwerkes Hauptamtliche (Ober-) Bürgermeisterinnen Schleswig-Holstein - Foto: B.Engel

Am Internationalen Frauentag gab der Schleswig-Holsteinische Städteverband die Gründung eines Netzwerkes Hauptamtlicher (Ober)Bürgermeisterinnen bekannt. Gemeinsam mit dem Gemeindetag stellt er den 21 Bürgermeisterinnen eine Geschäftsstelle. Ziel ist es, Frauen auf ihrem Weg in das Amt zu unterstützen. Mit 22,1 Prozent Frauenanteil auf Landesebene sei da noch viel Luft nach oben, skizziert deren Sprecherin Birte Kruse-Gobrecht die Aufgabe. Mittelfristig sollen vom Netzwerk auch wichtige Impulse für den ehrenamtlichen Bereich ausgehen.

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panama

das; Abk. f. Panorama (griech.). Unter diesem Namen postet Daniela Mett vermischte Nachrichten aus der bewohnten Welt des Nordens bis hoch nach Tromsö. Die ausgebildete Magazinjournalistin berichtet frei und unabhängig. Sie hat sich in 35 Berufsjahren spezialisiert auf Reportagen und Interviews.