In seiner Talkreihe „Stegner trifft…“ lädt sich der SPD-Landesvorsitzende prominente Gäste nach Schleswig-Holstein zum locker moderierten Gespräch vor Publikum.
Für den Tag nach der US-Präsidentschaftswahl hatte sich Dr. Ralf Stegner bewusst mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in Kiel verabredet. Zum Start in den abendlichen Talk lieferten die beiden vor gut 400 Gästen ihre Kommentare zum Wahlausgang ab. Später wurde es persönlicher.
Zuerst erschienen auf landesblog.de. Siehe dort auch Bericht über den Auftakt des Wahlkampfes zur Landtagswahl 2017.
Gestartet sei er damit vor zehn Jahren, gibt Ralf Stegners Pressesprecherin zur Auskunft, mittlerweile fänden drei bis vier Veranstaltungen dieser Art pro Jahr an wechselnden Orten statt. So kam im Juni Gregor Gysi zum Gespräch nach Bordesholm in das Savoy. Im Februar traf Ralf Stegner im Lübecker Hansemuseum den Spiegel-Journalisten Jan Fleischhauer. Für Mitte Februar 2017 sei das nächste Treffen im Hamburger Umland geplant.
Mit wem oder wo genau, werde jeweils beizeiten über Plakate, Social Media und auf der persönlichen Webseite von Ralf Stegner sowie der des SPD-Landesverbandes öffentlich bekannt gegeben. Damit neben den Mitgliedern und ihren Angehörigen auch Interessierte unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit Gelegenheit bekommen, sich für eine Teilnahme anzumelden. Denn das muss man. Am Eingang der Schulmensa vom Regionalen Bildungszentrum Wirtschaft in Kiel fanden Einlasskontrollen statt. Die Veranstaltung mit den beiden SPD-Spitzenpolitikern war Tage zuvor bereits ausgebucht. Per Livestream ließ sie sich aber noch übers Internet verfolgen.
Politik und Persönliches
Zum Format gehört, dass neben politischen Themen auch Privates auf der Bühne zur Sprache kommt. Mit ihren Fragen nach der Smartphone-Nutzung, nach Buchtipps oder der durchschnittlichen Schlafdauer zielte Moderatorin Nina Wonerow (Radio Hamburg) darauf ab, die Spitzenpolitiker von politischer Rhetorik mit Statements zu CETA, der Türkei, dem Brexit usw. wegzulenken, die so oder im ähnlichen Wortlaut vielfach in den Medien zu vernehmen gewesen sind. Denn beiläufiges Ziel dieser Veranstaltungsreihe ist, Vorurteile über Politiker abzubauen – über „die da oben“, die alle gleich ticken würden und sich um Sorgen der Bevölkerung nicht kümmerten.
Kann das gelingen? Wenn Martin Schulz über die Bufo calamita aus seinem Garten spricht, die Kreuzkröte, deren Foto er im Handy hat, fühlt sich das kurz an wie beim Smalltalk am Gartenzaun. Doch das täuscht. Er wie auch Stegner besitzen mächtig viel Einfluss. Um den zu behalten, sind sie permanent auf Achse und selten vor 22 Uhr daheim. Schlaf erhalten sie in homöopatischen Dosen. Ihr Harmoniebedürfnis beschränken sie auf Familie und Freunde (so Stegner) ansonsten gilt permanent: Streitbar sein! Was das heißt, stellte Martin Schulz spontan zur Schau, indem er einen wütenden Zwischenruf routiniert faktenreich parierte.
Mein Fazit
Spannender als einen moderierten Talk fände ich einen direkten Dialog, ohne Zäsur durch Fragen eines Journalisten. Denn die oder der notiert sich auf seinen Kärtchen vorab nur Themen, die das Internet per Suchmaschine wiedergibt, also bereits veröffentlichte. Dagegen könnte sich zwischen Ralf Stegner und seinem jeweiligen Gast im direkten Gespräch miteinander ein Gesprächsfaden entwickeln, der überraschende, vielleicht unbekannte Wege nimmt. So bekäme das Publikum die Chance, etwas über die Beziehung der beiden Gesprächspartner zueinander erfahren.
Für mich jedenfalls gehörte der Ausflug in die Wallonie zu den interessantesten Momenten des Abends. Sein Wohnhaus, eröffnete Martin Schulz, läge nur fünfzehn Kilometer entfernt vor der Grenze zu der belgischen Region, die das Ceta-Abkommen blockiert hätte. Deren Ministerpräsidenten Paul Magnette würde er gut kennen. Bei ihrem Parteikonvent Anfang September in Wolfsburg hatte die SPD darüber beraten, wie sie zum Freihandelsabkommen steht. Als besonders heikel galt der darin enthaltene Investorenschutz. Daraufhin hätten sich ihre Parteifreunde aus der Wallonie „das Wolfsburger Papier von Ralf und mir“ (Schulz) vorgenommen. Das Ergebnis kennen wir: Unter Ausschöpfen ihrer demokratischen Möglichkeiten blockierte die Region den Vertragsabschluss und erreichte damit im Sinne von Millionen Bürgerinnen und Bürgern Europas weitreichende Verbesserungen.
Bonusmaterial – die Buchtipps von Martin Schulz
- Karl Dietrich Bracher: „Die Auflösung der Weimarer Republik“.
- Juli Zeh: „Unterleuten“.
- Tomasi di Lampedusa: „Der Leopard“.
- Alle 72 Maigret-Romane von Georges Simenon.